DIE LINKE: Parteitag in Göttingen beschert den „Reformern“ empfindliche Niederlage

Sonntag, 3. Juni 2012, 22:47

Kipping und Riexinger als neue Doppelspitze sowie eine linke Vorstandsmehrheit eröffnen der Linkspartei neue Chancen

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Im Machtkampf um die Richtung und das Spitzenpersonal der Linkspartei hat der Souverän demokratisch entschieden. Die Ergebnisse sind durchaus ermutigend. Die Delegierten wollten, als sie endlich selbst entscheiden konnten,  lieber nach links anstatt nach rechts rücken. Sie verliehen diesem Willen Ausdruck durch eine ganze Reihe von Änderungsanträgen zum Leitantrag des scheidenden Bundesvorstands, die in der Summe das linke Profil der Partei stärkten.

Viele dieser Änderungsanträge erfuhren dabei Unterstützung sowohl aus ostdeutschen als auch aus westdeutschen Landesverbänden. Zu besonders erfreulichen Ergebnissen führte dabei die Zusammenarbeit von Delegierten aus NRW, dem Landesverband Sachsen sowie den Bundesarbeitsgemeinschaften „Hartz IV“ und „BGE“. Getreu dem Motto „Niemand soll unterhalb der Armutsgrenze leben müssen“ überzeugte man gemeinsam die Parteitagsmehrheit je 1050 € Mindestsicherung und Mindestrente zu fordern. Mit diesen Forderungen entspricht die Partei den vitalen Interessen von RentnerInnen, GeringverdienerInnen und Erwerbslosen eher als bisher.

Bewegungsorientierte Doppelspitze

Mit Katja Kipping und Bernd Riexinger wählte der Parteitag eine Doppelspitze aus zwei bewegungsorientierten Linken. Katja Kipping ist dabei vornehmlich gegen Hartz IV und Armut sowie für ein Bedingungsloses Grundeinkommen aktiv. Der Stuttgarter Verdi-Geschäftsführer Bernd Riexinger kämpft mit der Gewerkschaftslinken seit 2003 gegen Agenda 2010.

Die beiden neuen Vorsitzenden sind zudem für neue Ideen nicht nur offen, sondern entwickeln diese selbst mit. Hierbei steht Katja Kipping wiederum für das BGE, aber auch für Konzepte solidarischer Ökonomie und Infrastruktursozialismus. Bernd Riexinger bereicherte die gewerkschaftliche Diskussion u.a. durch Überlegungen zu transnationalen Branchengewerkschaften.

Bartsch klar geschlagen

Der Kandidat des ostdeutschen Reformerflügels Dietmar Bartsch verlor die Kampfkandidatur klar gegen den Antikapitalisten Riexinger. Dieser erhielt dabei auch zahlreiche Stimmen aus ostdeutschen Landesverbänden. Neben dem Wunsch nach einer linken Linie und einer integrationsfähigen Führung war dafür auch ein taktischer Fehler Gregor Gysis ausschlaggebend.

Gysi hatte unverhohlen mit der Spaltung der Partei gedroht, falls keine „pluralistische Führung“ gewählt werden sollte. Diese Töne kamen bei der Mehrzahl der Delegierten nicht gut an. Sie erinnerten sich an die Ergebnisse des letzten maßgeblich von Gysi durchgesetzten „Personaltableaus“ und an die Entmündigung des Erfurter Programmparteitags bei dem nur ausgehandelte Kompromisse abgenickt werden durften. Vielleicht wurde ihnen auch klar, dass Personal- und Formelkompromisse zum Programm in der Geschichte der Linkspartei stets des Effekt hatten, dem rechten Parteiflügel mehr Gewicht zu verleihen, als ihm nach demokratischen Spielregeln zugestanden hätte. – Gysi überzeugte die Delegierten diesmal nicht.

Oskar Lafontaine hingegen machte alles richtig. Er beschwor die Einheit der Partei und appellierte an Kampfgeist und Glaubwürdigkeit der Delegierten. Botschaften, die Hoffung erweckten.

Linke Strömungen verfügen über Vorstandsmehrheit

Im Anschluss an die Wahl der Vorsitzenden und ihrer StellvertreterInnen konnte der Reformerflügel mit dem Bundesgeschäftsführer und dem Schatzmeister der Partei noch zwei Spitzenpositionen erringen. Auch zogen erwartungsgemäß einige Mitglieder des fds in den Erweiterten Vorstand ein. Dennoch gelang es den linken Strömungen eine deutliche Mehrheit der 44 Vorstandspositionen für sich zu gewinnen.

Es bleibt abzuwarten, ob der so zusammengesetzte Vorstand die Partei revitalisieren kann. Denn die allermeisten Probleme, ob es der gescheiterte Westaufbau, der Verlust von Glaubwürdigkeit in Regierungsbeteiligungen, den kreuzbraven, staatstragenden Auftritt der Partei, die Fixierung auf den Parlamentsbetrieb oder die Unfähigkeit die Lebensbedingungen der von Hartz IV und Niedriglohn Betroffenen real zu verbessern ist, bleiben der neuen Doppelspitze und dem Vorstand erhalten.

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