100 Tage Kretschmann

Donnerstag, 18. August 2011, 20:32

Quelle: GRÜNE Baden-Württemberg

Quelle: GRÜNE Baden-Württemberg

Er versteht nicht nur Bahnhof

100 Tage ist die grün-rote Regierung in Baden-Württemberg alt. Kein Zeitpunkt, um Bilanz zu ziehen. Mindestens 150 Tage hatte sich Winfried Kretschmann (Die Grünen) kurz nach der Wahl im Mai erbeten. Experten rechnen gar ein Jahr, bis die neue Regierung ihre eigenen Schwerpunkte etabliert hat.

Doch 100 Tage sind genug, um Skeptiker verstummen zu lassen. Baden-Württemberg hat sich unter Grün-Rot nicht in ein Land der Müsliesser und Jutetaschenträger verwandelt.

Der Streit um Stuttgart 21 hat den Einstieg für den Ministerpräsidenten schwer gemacht. Gestolpert ist er nicht. Nach einer Umfrage des Karlsruher Marktforschungsinstituts Cobus sind 63,9 Prozent der Unternehmer mit der bisherigen Arbeit von Kretschmann zufrieden.

Gleichsam steht der 63-Jährige dafür, dass die Grünen in der Mitte der Gesellschaft angekommen sind. Vielleicht ist es auch umgekehrt. Kretschmann ist alles andere als ein Öko-Klischee, er ist kein Müsliesser, der in seiner Jugend mit Steinen gegen Polizisten wütete. Winfried Kretschmann wuchs brav schwäbisch auf, er ist katholisch, war bei der Bundeswehr. So gesehen ist er die ideale Identifikationsfigur für den braven Deutschen, der sich um die Umwelt sorgt und sich deswegen eine Solaranlage aufs Dach schraubt und der sich per Volksentscheid ordentlich in die Politik einbringen möchte. Weil Kretschmann so unaufregend ist, ist er für die Grünen zur großen Chance geworden.

Seine Stärke ist, das er sich selbst treu bleibt. Die Biegekräfte in so einer Position seien recht groß, bekannte Kretschmann kürzlich. «Aber man muss schauen, dass man nicht verbogen wird, sondern immer wieder zu seiner Ausgangsposition zurückschnellt.» In einer Zeit, in der politische Entscheidungen oft kurzfristig und unberechenbar übers Knie gebrochen werden, in der Kanzlerin Angela Merkel (CDU) plötzlich für den Atomausstieg plädiert und der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) zum zeitweiligen Umweltfreund wird, ist eine klare Linie eine Besonderheit.

Kritik kommt aus dem eigenen Land

Kretschmann bleibt deutlich, nimmt in Kauf, dass es «mal ordentlich kracht». Konsequent bleibt er bei seinem Vorstoß, die Grunderwerbssteuer in Baden-Württemberg von 1,5 auf 5 Prozent zu erhöhen oder in der Diskussion mit den Autobauern um umweltfreundliche Fahrzeuge. Allgemein werden seine Offenheit und Diskussionsbereitschaft geschätzt. Auch von jenen, die eine andere Linie vertreten. Kanzlerin Merkel lobt seine Besonnenheit. Seehofer bestätigt, Gespräche in angenehmer Atmosphäre geführt zu haben.

Kritische Stimmen kommen aus dem eigenen Land: Der stellvertretende CDU-Fraktionsvorsitzende im Stuttgarter Landtag, Karl-Wilhelm Röhm, wirft Kretschmann Führungsschwäche vor: Seit dem 25. Mai, dem Tag der Regierungserklärung, habe er von Herrn Kretschmann nichts mehr gehört. «Und vor allem brauchen wir einen Ministerpräsident, der nicht nur zuhört, sondern die Richtlinien der Politik mitbestimmt.» Unternehmer kritisieren die Finanzpolitik der Regierung und deren Vorhaben, trotz höherer Steuereinnahmen weitere Schulden aufzunehmen.

Eine Zerreißprobe für den Grünen könnte die Entscheidung über das Bahnprojekt Stuttgart 21 im Herbst werden, die die Regierung per Volksentscheid herbeiführen möchte.

Aber Baden-Württemberg ist nicht nur Stuttgart und Bahnhof ist nicht alles. «Ich nehme im Land eine wirklich gute Stimmung wahr, die Leute nehmen die Politik des Gehörtwerdens sehr ernst», sagt er. «Ich bin der Überzeugung, dass wir gezeigt haben, dass wir hier einen Politikwechsel einleiten», sagt Winfried Kretschmann.

Nach 100 Tagen Regierungszeit ist der der erste grüne Ministerpräsident zufrieden. Indes: Baden-Württemberg nimmt derzeit eine wirtschaftliche Spitzenposition in Deutschland und Europa ein. Kretschmann muss beweisen, dass eine grün-rote Regierung diese halten kann.

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100 Tage Kretschmann – Er versteht nicht nur Bahnhof