Schikane gegen schwangere Hartz IV-Bezieherin durch Jobcenter?

Donnerstag, 17. Februar 2011, 12:38
Bild: Arzt, pixelio.de

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Schon wieder wurden jungen schwangeren Frauen alle Leistungen entzogen / BA sieht keine Veranlassung auf Sanktionen gegenüber dem Ungeborenen zu verzichten

Bonn – Für das Erwerbslosen Forum Deutschland sieht das Verhalten des Jobcenters „Lippe pro-arbeit“ im westfälischen Blomberg nach Schikane und Willkür gegen eine schwangere Hartz IV-Bezieherin aus. Eine junge Frau (29 Jahre) erlebt derzeit einen Albtraum und hat seit Oktober nur noch 9,10 Euro Hartz IV-Leistungen überwiesen bekommen. Wegen seit Dezember ausstehender Mietzahlungen hatte ihr Vermieter schon die Wasserversorgung abgestellt, um Druck auf die Frau auszuüben. Nur durch eine einstweilige Verfügung des Amtsgerichts wurde das Wasser wieder angestellt. Doch Geld zum Essen und Trinken hat die schwangere Frau immer noch nicht und ist inzwischen auch nicht mehr krankenversichert. Seit Anfang des Jahres wenden sich verstärkt schwangere Frauen an das Erwerbslosen Forum Deutschland, da sie wegen unzumutbarer Ein-Euro-Jobs die Leistungen komplett eingestellt wurden. Auch aus dem bayrischen Coburg wendete sich eine junge Frau an das Erwerbslosen ‚Forum Deutschland, weil ihr alle Leistungen entzogen wurden. In beiden Fällen besteht eine Risikoschwangerschaft; bei der jungen Frau aus Coburg hat der Frauenarzt sogar bescheinigt, dass sie während der Schwangerschaft nicht arbeiten soll. Dennoch wurde sie wegen Nichtaufnahme eines Ein-Euro-Jobs sanktioniert. Erneut fordert die Initiative einen sofortigen Sanktionstopp bei Schwangerschaft. „Sanktionen bei schwangeren Frauen ist ein Angriff auf das Ungeborene.

Hilde S. ist völlig am Ende und dazu auch noch schwanger. Dennoch hat sie vom Jobcenter Lippe „pro-arbeit“ seit Oktober nur 9,10 Euro überwiesen bekommen. Im Oktober hatte sie schon einen Eilantrag beim Sozialgericht Detmold gestellt, da das Jobcenter Blomberg ihr die Leistungen kürzte, weil sie angeblich nicht zu einem Termin erschienen war. Weil Hilde S. jedoch kein Einladungsschreiben erhalten hatte wandte sie sich per Eilklage an das Sozialgericht. Das Jobcenter konnte ein Einladungsschreiben nicht vorweisen anerkannte die Forderung von Hilde S. Unter normalen Umständen zahlen Hartz IV-Behörden auch sofort wieder, jedoch nicht so in Blomberg.

Und es kam noch schlimmer

Im Dezember musste sie einen Weiterbewilligungsantrag für ihre Hartz IV-Leistungen stellen. Diesen gab sie zusammen mit ihrem Freund nebst Kontoauszügen von Oktober bis Dezember und Mutterpass beim Jobcenter ab. Wenige Tage später schrieb das Jobcenter sie an und verlangte eben die bereits abgegebenen Kontoauszüge von Oktober bis Dezember. Gleichzeitig wurde angefragt wo von sie denn leben würde; man hatte ihr im November nur 9,10 Euro überwiesen. Dem Jobcenter und ihrem Sachbearbeiter war bekannt, dass eine Risikoschwangerschaft vorliegt. Erneut wurden die Kontoauszüge und sogar ein Kontojahresauszug eingereicht. Dennoch forderte das Jobcenter wieder die Kontoauszüge. Als sie ihren Sachbearbeiter auf den Umstand aufmerksam machte, dass sie kein Geld mehr habe, ein Kind erwarte und sie vor einem Jahr schon mal eine Fehlgeburt hatte, soll der entgegnet haben, dass ihn dass nicht interessieren würde, sie wäre ja nicht seine Frau und außerdem könnte es ja gut sein, dass sie erneut eine Fehlgeburt haben würde. Zudem würde sie, selbst wenn ihr Antrag genehmigt würde, sofort auf 100 Prozent sanktioniert werden, da sie im Dezember zehn Einladungen zum Jobcenter erhalten habe, wovon sie keinen Termin eingehalten hätte. Hilde S. beteuerte gegenüber dem Erwerbslosen Forum Deutschland, dass keine Einladungen vorgelegen hätten. Am 14. Januar wurden ihr dann rückwirkend zum 1. Dezember alle Leistungen und der Krankenversicherungsschutz versagt. Inzwischen läuft ein Eilantrag beim Sozialgericht Detmold, dennoch verzögert das Jobcenter das Verfahren, indem es um weiteren Aufschub bat, um dem Gericht zu antworten. Hilde S lebt von der Hand in den Mund. Das Erwerbslosen Forum Deutschland hat den Eindruck, dass hier bewusst wiederholt Leistungen verweigert werden und dadurch fahrlässig Schäden an der Gesundheit von Hilde S. und ihrem Ungeboren in Kauf genommen werden. „Wir werden das Verhalten der Behörde überprüfen lassen und notfalls weitere Schritte veranlassen. Soviel Ignoranz gegenüber einer werdenden Mutter habe ich noch nie erlebt. Wir fordern nochmals, dass Sanktionen gegenüber Schwangeren und dem ungeborenen Leben sofort gestoppt werden müssen“, so Martin Behrsing.

BA sieht keine Veranlassung auf Sanktionen gegenüber dem Ungeborenen zu verzichten

Ende Januar hatte das Erwerbslosen Forum in Bonn, in einem offenen Brief (1) an Arbeitsministerin Ursula von der Leyen und Vorstandsmitglied der Bundesagentur für Arbeit, Heinrich Alt einen sofortigen Sanktionsstopp gefordert. Inzwischen hat Alt – auch im Namen von Ursula von der Leyen geantwortet (2). Dem Schreiben nach, sieht er keine Veranlassung, auf Sanktionen gegenüber dem Ungeborenen zu verzichten.

(1) http://www.erwerbslosenforum.de/nachrichten/27_272011270127_426_1.htm

(2) http://www.elo-forum.org/attachments/news-diskussionen-tagespresse/33853d1297856727-schreiben-bundesarbeitsministerin-hartz-iv-gilt-schutz-ungeborenen-heinrich_alt_ba.pdf
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